Podcast 0079 – ZDF WISO „Deutschland ohne EU“


Faktenreicher Wirtschaftsjournalismus oder Brüssel-treue Popagandaschmonzette?

Eine Filmanalyse von Robert Kreuz

Am 12.Mai 2015 strahlte das ZDF Wirtschaftsmagazin WISO den Filmbeitrag "Deutschland ohne EU" aus, der dem Zuschauer die Konsequenzen eines möglichen in der Zukunft liegenden Euro-Austrittes von Deutschland vor Augen führt.

Die Analyse geht der Frage nach, ob diese fiktionale Geschichte dem Anspruch einer objektiven und wertneutralen Wissensvermittlung mittels des Mediums Film gerecht wird. Hier also auch journalistische Grundsätze zum Tragen kommen, so wie man es als Zuschauer der altehrwürdigen Institution ZDF-WISO erst mal zu billigt.

Oder ob hier über stilistische und handwerkliche Mittel der Zuschauer ganz bewußt in eine bestimmte Denkrichtung und damit auch zu einer gewollten Schlußfolgerung geführt wird.

Die Analyse hat nicht den Anspruch einer akademischen Vollständigkeit oder Komplexität. Vielmehr soll auch der Laie die Möglichkeit behalten, sich in dem Text zu recht zu finden.

Der Beitrag ist öffentlich und frei einsehbar.

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Der besprochene Filmbeitrag
[auf der Seite ist auch das angeführte Interview mit Susanne Biedenkopf-Kürt zu finden]

 

Vorwort

Die im Film angeführten wirtschaftlichen Fakten, Eckdaten und Schlußfolgerungen sollen in dieser Analyse keine besondere Prüfung oder eine Richtigstellung erfahren. An einigen Passagen wird aber eine Auseinandersetzung mit der dargestellten Faktenebene unumgänglich sein. Der Film „Deutschland ohne EU“ ist eine Auftragsproduktion des ZDFs. Um es für der TV-Wirtschaft Fremde verständlich auszudrücken:
Das ZDF bestellt einen Film nach gewissen Wünschen und Vorgaben und eine Produktionsfirma, in diesem Fall eine privatrechtliche führt den Auftrag nach Kundenwunsch aus.In diesem Fall ist es die in Köln ansässige Firma Taglicht Media. Das Firmenprofil kennzeichnet eine große Nähe zu öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten als Absatzmarkt. Zwei der drei im Abspann genannten Personen, die für Autorenschaft und Regie zuständig waren, gehören zur Belegschaft von Taglicht Media. Eine spezielle Präferenz oder Expertise für Wirtschaftsthematiken ist den Vitas nicht zu entnehmen. Wie bei Auftragsproduktionen des ZDF üblich, so ist auch bei dieser Produktion das ZDF redaktionell federführend und hat bei diesem Film das sprichwörtlich letzte Wort.
Die redaktionelle Aufsicht für das ZDF übernahm Martin Leutke zusammen mit Marcus Niehaves. Martin Leutke obliegt seit 1. Juli 2011 die Leitung der ZDF-Wirtschaftsredaktion. Nach einem 8 Jahre dauernden Studium in Volkswirtschaftslehre muß zumindest bei Martin Leutke etwas Grundverständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge vorausgesetzt werden.

„Deutschland ohne EU“

In 42 Minuten werden anhand einer fiktiven und in der Zukunft spielenden Geschichte, die Folgen eines deutschen Euro-Austrittes dargestellt. Der Versuch, Pro- und Kontra Aspekte des Themas gleichmäßig zu gewichten, scheitert. Eine objektive Auseinandersetzung mit dem Thema bleibt dem Zuschauer verwehrt. Die Pro-Euro Ausrichtung der Filmemacher kommt zu Beginn des Filmes nur indirekt und suggestiv zum Tragen. Wird im Verlauf aber immer offensichtlicher und dominierend. Einfachste wirtschaftstheoretische Grundlagen und volkswirtschaftliches Basiswissen werden rücksichtslos ignoriert und Falsch dargestellt. Die Absicht den Zuschauer an der Erkenntnisreise von Martin Leutke teilhaben zu lassen, ist ein dramaturgisches Desaster. Martin Leutke beginnt diese Reise mit einer bereits vordefinierten Meinung. Diese wird aber nicht offen kommuniziert, sondern bleibt hinter Kunstgriffen der Rhetorik und den Gestaltungsmitteln des Films, so gut es geht, verborgen. Mit vorschreitender Filmzeit entledigen sich die Schöpfer sämtlicher Hemmungen und geben sich ungeniert dem religiös anmutenden Überzeugungswahn des Pro-Euro Lagers hin. Dabei nehmen sie auch selbst erzeugte Widersprüche in Kauf und scheuen vor keinem noch so billigen Klischee zurück.

Das ZDF muß sich an der Stelle die Frage gefallen lassen, in wie weit hier journalistische Grundsätze beachtet wurden. Und in wie weit man dem Sendeauftrag per Rundfunkstaatsvertrag gerecht wurde. Das zum Film geführte Interview mit Susanne Biedenkopf-Kürt (Hauptleiterin ZDF Wirtschaft, Recht und Soziales) über die Intention und Entstehung des Filmes belastet das ZDF zusätzlich. Sollte der Film vorgehabt haben, Stimmen für eine Pro-Euro Gesinnung zu gewinnen. So wird dieser Erfolg durch die andauernde Agitation in Grenzen bleiben. Eine weiter zunehmende Polarisierung zugunsten der EURO-Ablehner ist wahrscheinlicher.

Martin Leutke übernimmt im Film die Funktion des sogenannten Host. Er leitet und führt den Zuschauer durch die Geschichte. An seiner Erkenntnisgewinnung soll der Betrachter teilhaben. Ihm zur Seite aber untergeordnet steht Marcus Niehaves. Seine Funktion ist die des „Rasenden Reporters“. Unterwegs auf der Straße des Urbanen. Auf Du und Du mit den Menschen von nebenan. Seine gewonnen Informationen sollen die Erkenntnisreise des Hosts unterstützen.
Die unterschiedliche Funktion von Martin Leutke und Marcus Niehaves wird durch den Kleidungsstil unterstrichen. Der Host mit Jackett und Hemd aber ohne Krawatte. Ein phänotypisches Abbild eines erfolgreich im Berufsleben Stehenden. Die äußerliche Würde entspricht dem gewichtigen Thema, ohne dabei zugeknöpft und verschlossen zu wirken. Im Kontrast dazu Marcus Niehaves. Der Auftritt in den Tarnfarben der jungen Vorstadt. Hipster-Look mit Trainings-Jacke, Vollbart und Converse Chucks.

Ein in dem Film besonders hervorzuhebendes und gezielt verwendetes Erzählmittel ist die sogenannte „Wissensinsel“. Im Fachjargon werden so Kapitel eines Filmes bezeichnet, die den Zuschauer aus der etablierten Verlaufsebene herausholen. Mit ihr werden Aspekte nochmals zusammengefaßt und vereinfacht dargestellt. Entstandene Fragen beantwortet. Oder neues Wissen, welches zum weiteren Verständnis notwendig ist, kurz und prägnant vermittelt.
Die Wissensinseln sind hier als computergenerierte Animationen konzipiert. Wann und wie sie Anwendung erfahren, ist für die Beurteilung des Filmes mit maßgebend.

Der Einstieg in den Film erfolgt so gleich über eine derartige grafische Spielerei. Ort, Zeit und Thema werden genannt. Das Design der Animation ist in kalten dunklen Farben angelegt. Ein bedrohlich wirkender Rot-Ton, der unter den Schrifttafeln liegt, sorgt für ein Gefühl der Enge. Einziger Lichtblick in dieser Finsternis ist die klare weiße Schrift, die den Sprechertext visualisiert. Licht und Sprecher gehören zusammen.

Der Zuschauer erhält hier optisch und akustisch seine Führleine zugewiesen.

Die Schrifttafeln sind als einklappende Fotonegative gestaltet, was zwangsläufig die Assoziation mit etwas investigativem und auch exklusivem erzeugt. Wir sehen hier etwas, bevor alle anderen das Positiv zu Gesicht bekommen.In Verbindung mit den Farben und der Hintergrundmusik ist weiterhin eine Assoziation zu Tatortfotos offensichtlich. Das Kernthema des Filmes erhält durch diese grafische Umsetzung folgenden Subtext.

Deutschland tritt aus dem Euro und der EU aus – ein Verbrechen, ein Kriminalfall!
Hier erfolgt schon in den ersten 3 Sekunden eine Wertung.

Weiterhin erfährt man, daß es sich nur um eine fiktive Geschichte handelt. Es ist nicht real, nicht echt. So wie diese Animation in der realen Welt auch nicht existiert. Der Zuschauer bekommt hier ab Start die Verbindung, Animation ist gleich Scheinwelt ist gleich irreal, mit vermittelt, was im späteren Verlauf noch von Bedeutung sein wird.

Ab Sekunde 20 wird der Zuschauer über schnelle, hektische Schnitte nach Berlin geführt. Der Flug um den Berliner Fernsehturm schafft in der Bilderflut ein gewisses Maß an Orientierung. Man sieht Polizei und Absperrgitter, Beamte mit Schutzhelmen und Kampfausrüstung rund um das Kottbusser Tor – einem der gefährlichsten Brennpunkte der Hauptstadt. Was ist passiert, das einen Polizeieinsatz erfordert? Droht Gewalt? Droht ein Ausnahmezustand? Richtig. Es geht um das Verbrechen des deutschen Euro-Austrittes. Ordnung und Sicherheit sind in Gefahr und Verlangen das geballte Gewaltmonopol des Staates. Ohne ein Wort zu verlieren, erfährt das Kernthema anhand der gewählten Bildwelt eine weitere Zuordnung. Die über die Einstiegsanimation geschaffene Atmosphäre wird von einer irrealen in eine reale Welt transferiert. Und damit auch die bereits durchgeführte Wertung des Themas als real existent kennzeichnet.

Martin Leutke empfängt den Zuschauer. Nicht irgendwo, sondern unten auf dem Boden der Tatsachen innerhalb eines abgesperrten Bereiches. Dafür schreckt der Host auch nicht vor dem Kampf mit den Elementen zurück. Es regnet, er ist naß – danke Martin. Er steht auf der Seite der Polizei, der Seite der Sicherheit, der Seite des Rechts. Ob er damit auch auf der Seite des Recht Habens steht? Der Zuschauer kann jedenfalls beruhigt sein, solange er an der Seite von Martin Leutke verweilt. Alle anderen die nicht bei ihm sind, wie zum Beispiel die Euro-kritischen Demonstranten, auf die Martin Leutke zu Beginn zu sprechen kommt. Bewegen sich in einer Zone der Unsicherheit, der Unruhe, einem scheinbar derzeit rechtsfreien Raum, auf den die im Hintergrund stehende Polizei ein Auge hat.

An der Stelle sei darauf hingewiesen, daß im Hintergrund ein Transporter mit der Aufschrift „Schröder“ durch das Bild fährt. Ob dieser Transporter gezielt ins Bild gesetzt wurde, läßt sich nicht sagen. Eine solche Anlehnung an den Bundeskanzler a.D. im Zusammenspiel mit der bisher etablierten Szenerie, wäre aber nur allzu bezeichnend. Allerdings ist es vom jetzigen Standpunkt aus zweifelhaft, daß den Schöpfern des Filmes die europapolitische Bedeutung von Gerhard Schröder bekannt ist.

Martin Leutke beginnt sein Werk. Unumwunden macht er dem Zuschauer nun klar, daß schon Morgen der Tag der Entscheidung ansteht. Der Austritt aus dem EURO das Schicksal für Deutschland und den Kontinent besiegelt. Die negative Wortwahl läßt keinen Raum dafür, den möglichen Austritt auch mit etwas Positiven zu assoziieren. Wie sollte man auch innerhalb des aufgebauten Szenenbildes? Zur Unterstützung führt Martin Leutke noch ein Zitat von Dr. Angela Merkel an:

„Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“.

Aus Ignoranz, Kalkül oder Unwissenheit unterschlägt Martin Leutke an der Stelle dem Zuschauer, daß dieser Satz in einer Situation entstand, in der ein unkontrolliertes Auseinanderbrechen des Euros zu nicht zu beherrschenden Konsequenzen geführt hätte.
Der Filmgeschichte selbst liegt aber eine im demokratischen Prozeß herbeigeführte Entscheidung zu Grunde. Volkes Wille, der sich laut Story seit Monaten auf den Straßen zeigt, soll im Parlament zur Abstimmung gebracht werden. Ein Vorgang wie er dem Idealbild eines demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses entspricht. Martin Leutke bezieht an der Stelle rhetorisch gekonnt Position. Für ihn ist es kein legitimer demokratischer Vorgang sondern eine Katastrophe. Belegt wird dies durch seine zum nächsten Kapitel überleitende Frage: Wie konnte es soweit eigentlich kommen? Eine Formulierung wie sie nur dann zur Anwendung kommt, wenn Unglücksfälle oder Katastrophen ihren Schaden bereits angerichtet haben.
Warum aber der Austritt eine Katastrophe darstellt, ist noch nicht erklärt worden. Eine differenzierte Abwägung war dem Zuschauer bis hier hin noch nicht gestattet. Für und Gegenargumente noch nicht vorgestellt. Auch hat Martin Leutke selbst die Erkenntnisreise noch nicht angetreten. Dennoch indoktriniert er mit Mitteln der Rhetorik und über die Gestaltung des Filmes eine vorgefaßte Meinung in den Zuschauer. Dabei verfährt er nicht offen und allgemein erkennbar sondern indirekt und suggestiv.

Dabei hätte man Objektivität und ein neutrale Wissensvermittlung mit wenigen Handgriffen herstellen können. Eine Anmoderation, die darauf verweist, daß die Euro-Thematik polarisiert und man es mit zwei Meinungslagern zu tun hat, hätte ausgereicht. Ein Hinweis, daß man sich den Argumenten beider Lager zuwenden will, hätte den Zuschauer und Martin Leutke auf einen neutralen Standpunkt gehoben.

Es folgt die Antwort auf die Frage, wie es zum morgigen Tag der Entscheidung kommen konnte. Erneut greifen die Filmemacher auf die bereits etablierte Gestaltung der Wissensinsel zurück.
Die unbewußte Verknüpfung Animation ist gleich fiktiv und irreal kann nun ihre Schlagkraft entfalten. Die allgemein bekannten Schlagwörter der Eurokrise werden in einer erdachten Chronologie aufgezählt. Schuldenproblematik Griechenland, kollabierende Volkswirtschaften in Spanien und Frankreich, Menschen protestieren auf den Straßen.
Der Zuschauer kann sich an der Stelle beruhigt zurück lehnen. Es ist ja nur fiktiv. Auch die erdachte Chronologie liegt noch in der Zukunft. Für akute Sorgen besteht also kein Grund. Sollten die gezeigten Bilder dennoch beunruhigen und einen unangenehmen Nachdenkprozeß herbeiführen, so steht der mentale Schutzraum des „Es ist ja nicht echt“ bereit.

Daß die Bilder in diesem Kapitel eben nicht fiktiv sind, sondern aus der aktuellen Realität stammen, verschweigt der Film bis zum Schluß. Hier werden heutige reale Ereignisse zu unwirklichen Geschehnissen in der Zukunft transformiert und damit Wirklichkeit verfälscht.

Die anschließende Whistleblower-Sequenz ist für die Fragestellung des Filmes komplett ohne Belang. Ob Deutschland im Geheimen schon neue D-Mark druckt oder nicht, beantwortet nicht die Kern-Frage des Filmes. Einzige Funktion dieses Kapitel ist es, die investigative Qualität des ZDFs möglichst positiv darstellen zu wollen. Leider strahlt hier das Wollen aus allen Knopflöchern. Welcher Insider würde schon an irgendeine Fax-Nummer seine Ausweiskopie versenden? Man gewinnt den Eindruck, das ZDF hatte noch nie Kontakt mit real existierenden Insidern. Ob sich in Zukunft Personen mit vertraulichem Material an das ZDF wenden werden, wenn so wie in dem Film offenbart, Informanten schon mal vorab versteckt gefilmt werden, bleibt dann nicht mal mehr fraglich.
Das brisante Wissen, verpackt in einem USB Stick wird, wo auch sonst, in einem Frankfurter Hotelzimmer übergeben. Die Übergabe dargestellt in vollendeter filmtheoretischer Grundschule. Der Held ergreift das Schwert, ganz so wie es die Lehre nach Christoph Vogler für eine Heldenreise vorsieht. Das epische Bauerntheater gipfelt in dem Besuch beim Computer-Spezialisten und in einem Feuerwerk des Surrealen. Welcher Informant übergibt seine Ware ohne notwendiges Paßwort? Und welcher IT Fachmann benutzt einen Macintosh?
Mit dem Mittel der Redundanz, einer selbst beim einfachsten Privatfernsehen als nicht mehr erlaubten Unsitte, erklären Sprecher, Kamerabild und Fachmann, daß die heiße Ware paßwortgeschützt ist und die Entschlüsselung einige Zeit dauern wird. Dennoch schafft es die Fachkraft das Paßwort zu knacken. Der Tag ist gerettet und die Mühen werden mit einem PDF und einem selbstgedrehten Film aus dem Hochsicherheitsbereich belohnt. Wie es der Informant geschafft hat, im streng bewachten Firmenbereich Filmaufnahmen herzustellen, bleibt Geheimnis dieses Filmes. Ohne Beleg wird attestiert, daß das Material aktuell ist, vernehmlich vom Februar 2015. Das aber im Dateibrowser das Datum des 11.Mai 2014 zu sehen ist, darf ignoriert werden, denn es handelt sich ja um eine fiktive Geschichte.
Damit wird in dieser Sequenz dem WISO Zuschauer auch verschwiegen, daß die zur Einleitung vorgestellte Person Pippa Malmgren, ihr Renommee und ihre rezitierten Aussagen alles andere als fiktiv sind. Bereits im Oktober 2011 hat sie in einem Interview gegenüber den Deutschen Mittelstandsnachrichten angedeutet, daß Deutschland bereits die neue D-Mark druckt.

Doch was würde passieren, wenn die D-Mark wieder kommt? In der angefügten erneut animierten Wissensinsel wird die Antwort comicartig präsentiert. Die DM würde gegenüber dem Euro um 50% aufwerten. Waren, die nach Deutschland importiert werden, nur noch die Hälfte kosten. Der Gewinner ist der Verbraucher.

Der ZDF-WISO Mannschaft unterlaufen hier gleich 2 Kardinalsfehler. Der erste ist rein mathematischer Natur, der andere betrifft den Inhalt.

Erhält die DM einen Kaufkraftzugewinn von 50% gegenüber dem jetzigen Euro, dann reduziert es die Importpreise nur um 33% und nicht um 50%, wie im Film dargestellt. Ein hypothetisches Rechenbeispiel:

Angenommen für 10 Euro erhält man 10 Liter Faßbrause. Besitzt die DM die Kaufkraft des Euros, so würde man auch 10 DM für 10 Liter Faßbrause bezahlen. Im Film erfährt aber die DM eine Kaufkraftaufwertung von 50%.
Heißt, 10 DM kaufen die gleiche Warenmenge wie ehemals 15 €. Daraus ergibt sich, wenn man die bezogene Warenmenge beibehält, daß man nur noch 6,67 D-Mark für 10L des hypothetischen Getränkes auf den Tisch legen muß.

Nach den mathematischen Gesetzen des Filmes aber wären lediglich 5 DM fällig gewesen, was aber falsch ist.

Im Film wird davon ausgegangen, daß man 1 DM dann zukünftig so ausgibt wie bisher einen Euro. Doch die aufgewertet eine DM auszugeben, bedeutet schlichtweg 1,50 € der Kasse zu entnehmen und nicht wie bisher nur den einen vorhanden Euro.

An der Stelle sei der Einwurf gestattet, das der Ausspruch: „Sozialisten können nicht mit Geld umgehen“, nicht von ungefähr zu stammen scheint.

Der zweite Fehler, nicht minder schwerwiegender aber unter dem Aspekt der schöpferischen Intention nachvollziehbarer, ist der, daß nur der Konsument Profiteur einer Aufwertung wäre. Das sämtliche importierte Produktionsmittel, sei es Rohstoffe, Grund- und Fertigungsstoffe oder Dienstleistungen ebenso billiger bezogen werden könnten, verschweigt der Film. Die Industrie hiermit genauso davon profitieren würde. VW wäre wie später im Film angeführt, eben nicht gezwungen, ihre Produkte zum gleichen für das Ausland dann teureren Preis auf den Markt zu bringen. Sondern könnten durch die schlagartige Produktionskostensenkung, den Verkaufspreis mit nach unten hin anpassen.

Für die Gesamtbeurteilung des Filmes ist das Kapitel der Stark-Mark das schwerwiegendste Beweisstück.
Hier verschmelzen wirtschaftliche Inkompetenz mit der filmischen Erzählweise in einer schauerartigen Symbiose.

Zum Ersten, eine überzeichnete und zusätzlich mit Geräusch-Effekten bis ins Groteske überhöhte Animation. Die irreale Scheinwelt ein wiederkehrendes Element in diesem Film.

Zum Zweiten, dieses Kapitel widmet gerade einmal 1 Minute und 10 Sekunden lang den Euro-Austrittsargumenten. Die vorangegangenen Sendeminuten sind bereits erläutert. Der Rest des Filmes gibt von nun an ausnahmslos Raum den Euro Erhalt zu proklamieren. Und dies ohne Rücksicht auf Wahrheitsgehalt, Widersprüche und gebotenem Anstand. Es wird ohne Hemmung jedes Klischees ergriffen, daß der Sache dienlich erscheint. Der enteignete Rentner der ja jetzt zukünftig 33% weniger in der Geldbörse haben soll. Was laut eigener Film-Mathematik ja immer noch mit einem Plus durch die Aufwertung kompensiert werden würde. Nur der Film verliert darüber besser kein Sterbenswort.
Des Deutschen zweitliebstes Hobby – der Urlaub, darf auch nicht fehlen. Alle Verbraucherpreise würden sinken, außer Flugtickets. Wieso eigentlich? Weil die Lufthansa dem angeblich leerer werdenden Anbietermarkt tatenlos gegenüber stehen bleiben würde? Und ausländische Fluggesellschaften es nicht in Betracht ziehen ihre Dienstleistung gegen die neue Währung zu verkaufen und damit in Besitz der Stark-Mark zu kommen?

Um es in den Superlativ zu treiben, wird der Euro-Austritt dann noch mit langen Warteschlangen und Flughafenkontrollen gleichgesetzt. Daß die hierbei verwendeten Belegbilder aus der heutigen Noch-Euro Zeit stammen, darüber kann auch nicht der digital aufgetragene Pseudo-Sepia-Farbton hinwegtäuschen. Der Film versucht es aber trotzdem. Wie elegant und mühelos das Flugticket über den Schalterthresen in Nah-Aufnahme rutscht, und das alles nur dank dem Euro. Dazu das Horrorszenario des Währungstausches. Da vergeht einem glatt die Lust aufs Reisen. So wie es auch ein natürlich zufällig interviewter Passant andeutet – männlich und gehobenen Alters. Das Erscheinungsbild läßt vermuten, daß er und seine Haut nicht erst seit der Euroeinführung südliche Sonnenstrahlung genießen konnten. Das Casting scheint hier also nur suboptimal funktioniert zu haben. 

Dieses Agitations-Konglomerat wird immer wieder mit Ansagen und Interviews durch Martin Leutke unterbrochen. Man beachte dabei, wie der Standort des Hosts mit fortschreitender Filmzeit immer weiter nach oben in die Höhe verlagert wird. Im ersten Experten-Interview sind es nur ein paar Stufen, die unter ein Vordach führen, wo er dann schon geschützt vor den Elementen mit dem Professor des deutschen Wirtschaftsinstitutes verweilen kann.
Und genau erst mit Hinzunahme eines Experten beginnt der perspektivische Aufstieg des Martin Leutke. Über den Dächern von Berlin, und damit alles rund um erblickend, ist er bereits, nach dem sein zuarbeitender Antagonist Marcus Niehaves sein schmutziges Werk vollendet hat.

Die Krönung des Martin Leutke vollzieht sich dann oben an der Quadriga.

Der Sieg ist sein!

So verkündet es das königliche Bild und die Weihen werden gereicht durch Udo van Kampen. Der senore Gast mit gewohnt inhaltsleeren Platitüden dafür aber bedeutungsschwanger. Selbstverständlich darf der Verweis auf die Zeit des deutschen Nationalismus nicht fehlen. Diese Parallele scheint wohl gewählt. Denn gerade in dieser Zeit wurde man sich der Massenbeeinflussung über das Medium Film erstmals bewußt.

Man hat es benutzt, um Gottkönige zu stilisieren, eine Ideologie zu verfolgen und Kritik den Boden zu entziehen.